Der Roman Als die Erde unterging von Michael M. Thurner ist für mich in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. Einerseits hatte ich vermutet, dass das Geheimnis der USS NIMITZ gelüftet werden soll, also in erster Linie, wie sie in den peruanischen Regenwald gelangte, und in zweiter Linie, warum sich die vermeintlichen Nachkommen der Besatzung so seltsam verhalten. Außerdem hat Michael M. Thurner seit etwa zwei Jahren nicht mehr für MADDRAX geschrieben. Ob es an dem, in meinen Augen, seltsam geplanten zurückliegenden Zyklus lag, kann nur spekuliert werden. Vielleicht könnte Tanja in einem Interview mit ihm im PODDRAX diese Frage stellen. Eine dritte Besonderheit ergibt sich aus meiner persönlichen Vergangenheit: Ich war lange Jahre bei der Deutschen Marine und bin über einige NATO-Missionen ganz gut mit der US-Navy und sogar mit einigen Abläufen auf Schiffen der NIMITZ-Klasse vertraut. Gerne denke ich an die Zeiten zurück, in denen ich noch aktiv dabei war und zur See gefahren bin. Daher war die Vorfreude auf diesen Roman besonders groß.

War Florian Silbereisen die Vorlage für den Offizier auf dem Cover?

Tanja während dem MADDRAX-Stammtisch CHATDRAX am 8. Februar 2023
Cover von Band 604

Leider wurde ich gleich auf den ersten Seiten stark enttäuscht. Die Szene auf der Kommandantenkammer der NIMITZ wirkte auf mich stark konstruiert. Begrifflichkeiten wie „abrüsten“ kenne ich eigentlich nur aus dem Österreichischen Bundesheer. Chief Warrant Officer Kompio wird immer wieder mit dem vollen Dienstgrad angesprochen, obwohl das in der Realität wirklich niemand machen würde – und erst recht nicht der Kommandant bzw. CO. Ein CWO wird mündlich mit „Chief“ angesprochen.

Im zweiten Kapitel geht es direkt weiter. Kompio erzählt etwas von Wohndecks für sechs Personen, in denen zwei Racks mit je drei Kojen sind. Als CWO sollte er dies jedoch nur vom Hörensagen kennen. Ein CWO steht ihm meist eine Einzelkammer zu – nur selten muss sich ein CWO die Kammer mit einem weiteren CWO teilen. Dann wird erzählt, dass die Besatzung aus 6000 Personen bestehen soll. Ein paar Sätze zuvor wurde jedoch erwähnt, dass ein großer Teil des Carrier Air Wings für die aktuelle Mission ausgeschifft wurde. Die Besatzung müsste also um die 3200 bis 4000 Personen stark sein. Oder zählt der Autor die eingeschifften Lotteriegewinner tatsächlich zur Besatzung? Auch das wäre im maritimen Sprachgebrauch äußerst ungewöhnlich…

Kompio begegnet dann auch schnell einem Drill Sergeant, den er militärisch grüßt, wird jedoch mit Missachtung gestraft. Auch das macht nicht viel Sinn. Ein Soldat der US Navy mit der Funktion eines Drill Sergeants wird, wenn es denn so etwas in der Navy gäbe, vom Dienstgrad her wohl ein Sergeant sein. Sergeants sind jedoch von ihrem Rang her den Warrant Officers unterstellt (vielleicht auch mal gleichgestellt, weil WOs manchmal nicht so richtig zu den Offizieren gezählt werden).

Ein Kapitel weiter bewegt sich Kompio über das Oberdeck und sieht wie sich die Sonarantennen „wie gewohnt“ drehen. Blöd nur, dass sich „Sonarantennen“ i. d. R. nicht an Oberdeck befinden und meist auch nicht drehen. Das Sonar ist normalerweise unter dem Rumpf des Schiffes montiert, in der Nähe des Bugbereichs, wo sie eine gute Abdeckung des Meeresbodens ermöglichen und dem Schiff und seiner Besatzung helfen, mögliche Bedrohungen zu erkennen.
Es gibt verschiedene Arten von Sonarantennen auf Flugzeugträgern, die für unterschiedliche Zwecke ausgelegt sind, wie beispielsweise die Navigation oder die Ortung von U-Booten. Je nach dem spezifischen Typ der Sonarantenne kann sich ihre genaue Position auf dem Flugzeugträger unterscheiden, aber an Oberdeck werden die eigentlich auf keinem Schiff montiert.

So könnte ich das jetzt mit jedem Kapitel des Romans machen. Natürlich weiß ich durchaus, das ich da spezielles Fachwissen mitbringe, dass 99% der anderen Leser nicht mitbringen werden und deshalb nicht alle darüber stolpern werden. Deshalb belasse ich es auch dabei.

Aber auch ohne mein persönliches Insiderwissen zu maritimen Gepflogenheiten und auch zur Ausrüstung von Kriegsschiffen sind mir leider einige Fehler negativ aufgefallen, die eigentlich spätestens im Lektorat behoben hätten werden müssen.

So wird Kompio zum Beispiel seine neue und sehr teure Speicherkarte aus der Kamera gerissen und zerstört. Kompio flucht innerlich, weil die Karte „verflixt teuer“ und „die Speicherkapazität von unglaublichen fünfhundertzwölf Megabyte“ immens hoch sei.
Im Jahr 2012 waren aber Speicherkarten mit einer Kapazität von 512 Megabyte bereits relativ veraltet und wurden von den meisten Herstellern nicht mehr hergestellt. Wenn sie jedoch noch verfügbar waren, waren sie sehr günstig und kosteten in der Regel weniger als 10 Euro. Im Jahr 2012 hatten SD-Karten typischerweise Kapazitäten von bis zu 64 Gigabyte. Es gab jedoch auch einige Modelle, die bis zu 128 Gigabyte Kapazität hatten – und das wäre um diese Zeit eine nachvollziehbar teure Anschaffung von Kompio gewesen.

Apropos Kompio: Patrick existiert tatsächlich! Nicht als Besatzungsmitglied der USS NIMITZ, aber als Filmemacher, der verantwortlich ist für den ersten MADDRAX-Fanfilm, der zum 25-jährigen MADDRAX-Jubiläum entstehen soll. Tanja hat ihn in ihrer Serie 11 Fragen an einen… Fan bereits interviewt.
Leider erhielt er diesen Auftritt in einem MADDRAX-Roman nicht als Anerkennung für seine bisherigen Verdienste bei den Vorbereitungen dieses Filmprojekts, sondern er musste dafür bei Patreon tief in die Tasche greifen. Das Filmprojekt wird auf der LKS mit keinem einzigen Satz erwähnt…

Diese Methode sich eine Rolle in einem MADDRAX-Roman kaufen zu können, sehe ich etwas zwiespältig. Einerseits verstehe ich, dass sich Autoren ein kleines „Taschengeld“ nebenher verdienen möchten. Ein Heftroman bringt sicherlich nicht sooo viel Geld ein. Auf der anderen Seite finde ich, dass solche Ehrungen innerhalb der Serie eigentlich nicht für Geld käuflich erwerbbar sein sollten. Das kam ja immer wieder mal vor, aber ich finde die Ehrungen von MADDRAX-Erfinder Mad Mike oder Sascha Vennemann sowie der vier Fans, die bisher eine Rolle gewonnen haben bzw. für ihr besonderes Engagement ausgezeichnet wurden, nun an Bedeutung verliert. Man kann es sich ja nun kaufen. Aber da liegt natürlich die Entscheidung beim Team. Wenn das so gewollt ist, dann soll es wohl so sein.

Ich hoffe jetzt einfach mal, dass der Roman bei anderen Lesern besser ankommt und es einfach nur an meiner beruflichen Erfahrung mit der Navy liegt, dass ich diesen Roman ganz furchtbar finde. Vermutlich fühlt sich ein Arzt, der ein Arzt-Romanheft liest, genau so.
Und sicherlich spielt es auch eine Rolle, dass es die beiden Romane davor in meinen persönlichen Highscore der MADDRAX-Zweiteiler geschafft haben. Da ist das Gefälle zu diesem Roman hier echt groß…

Für die Idee mit der USS NIMITZ und den groben Roten Faden gibt es von mir zwei Kometen im Maddraxikon. Dabei bleibt es dann leider auch – mehr ist, bei aller Liebe zu MADDRAX, leider nicht drin. Schade ist das vor allem, weil ich Romane von Michael M. Thurner, wie z. B. Das Weiße Grab, Früchte des Zorns und besonders Der Mann aus der Vergangenheit, sehr mochte. Gerade letztgenannter gehört zu meinen Top10-MADDRAX-Romanen. Wahrscheinlich war meine Erwartungshaltung allein dadurch zu hoch.

Mich würde sehr interessieren, ob ich mit dieser Einschätzung recht habe. Wie gefiel dir der Roman auf der USS NIMITZ? Und wie stehst du zu Romanen, die zu 99% aus Vergangenheitshandlung bestehen? Schreibt es mir gerne in die Kommentare!

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