Cover von MX 617
© Bastei Lübbe AG

In „Fluch und Segen“ von Autor Michael Edelbrock geht es hauptsächlich um Dak’kar und seine Vergangenheit als ehemaliger Techno aus der Community Macapá. Durch eine Krankheit namens lymphozytische Degeneration droht seinen Leuten der Tod. Gleichzeitig wird aber auch das Zusammentreffen von ihm mit Matt fortgeführt. Eine detaillierte Handlungszusammenfassung findest du wie immer im Maddraxikon.

Gefallen hat mir an diesem Roman besonders, dass die Geschichte aus dem Hardcover Nr. 30 nochmal aufgegriffen und die Community Korou aus Band 326 Erwähnung findet. Wie im Vorgängerroman von Michael Edelbrock merkt man, dass hier jemand Gefallen am World Building gefunden hat. Sehr schön – endlich nimmt sich jemand zu Herzen auch auf bestehendem aufzubauen und nicht nur neue Charaktere und Figuren zu schaffen, die dann wieder in der Versenkung verschwinden! Ich mag das! 🙂

Der Roman verspricht eine spannende und abwechslungsreiche Handlung mit einem guten Mix aus Action, Abenteuer und Mystery. Am Schluss gibt es einen Cliffhanger. Der Plan der beiden Protagonisten geht schief. Dak’kar wird auf mysteriöse Weise aus der Handlung gerissen. Der Leser wird neugierig gemacht, wie es weitergeht und was nun aus Dak’kar wird.

Insgesamt ist der Spannungsbogen dadurch gut aufgebaut. Die Handlung ist temporeich und voller überraschender Wendungen. Kleinere Logiklücken mindern den Lesegenuss etwas, aber dazu später mehr. Denn insgesamt ist der Roman kurzweilig und spannend.

Dak’kar im Dschungel von Peru
CC BY 4.0 OMXFC

Dak’kar ist die Hauptfigur des Romans. Er wird als ambivalenter Antiheld dargestellt. Einerseits setzt er sich aufopferungsvoll für sein Volk ein und versucht verzweifelt, es zu retten. Andererseits geht er dafür über Leichen und ist skrupellos. Seine Entwicklung ist interessant, da er im Laufe der Handlung immer verbitterter wird.

Einen Kontrast zu Dak’kar bildet da natürlich Matt. Er ist der klassische Sympathieträger und Abenteurer. Er hilft Dak’kar, obwohl dieser ihn zuvor gefangen genommen hatte. Drax wirkt dadurch menschlich und idealistisch. Im Gegensatz zu Dak’kar hält er stets an seinen moralischen Prinzipien fest.

Jenno Moose im Dschungel von Peru
CC BY 4.0 OMXFC

Weitere wichtige Nebenfiguren sind Dak’kars Adjutant Jenno Moose und der zwielichtige Toma’bar. Besonders Toma’bars Entwicklung und schließlich sein Verrat sind überraschend und tragisch. Allerdings bleiben seine genauen Motive mysteriös. Hier wäre eine frühere Einführung und mehr Hintergrundwissen wünschenswert gewesen, um seinen Sinneswandel zu erklären. Selbst sein Aussehen bleibt im Dunkeln, da der Autor nicht auf diese Äußerlichkeiten eingeht. Deshalb gibt es an dieser Stelle auch kein Foto von ihm. 😉

Ansonsten sind die Figuren jedoch vielschichtig und glaubwürdig porträtiert. Kleinere Logiklücken in der Charakterzeichnung schmälern den positiven Eindruck etwas. Doch die wichtigsten Protagonisten sind interessant und sorgen für Spannung.

Ein zentrales Ereignis ist Dak’kars Expedition in den Dschungel auf der Suche nach den sagenumwobenen Diamanten. Diese Expedition wirft jedoch einige Fragen auf.

Route der Expedition aus Macapá und die Route von Matt auf der Suche nach dem Fungizid
Karte: CC BY-SA 3.0 OpenTopoMap

Die Organisation einer solch großen Expedition muss sehr aufwendig gewesen sein. Der Transport von Ausrüstung, Verpflegung und Treibstoff für über 200 Teilnehmer über 3000 Kilometer erscheint innerhalb weniger Monate unrealistisch.

So ähnlich müsste eine Expedition in diesem Ausmaß ausgesehen haben
CC BY 4.0 OMXFC

Auch die Routenplanung ist fragwürdig. Die Reise auf dem Amazonas mit Booten hätte vieles vereinfacht. Stattdessen wird beschrieben, wie sich der Konvoi mühsam durch dichten Dschungel kämpft.

Darüber hinaus scheint das Vorankommen viel zu schnell zu gehen. Laut Zeitangaben benötigt die Expedition nur knapp 6 Monate für die weite Strecke. Matt dagegen brauchte noch vor ein paar Wochen für einen Bruchteil dieser Distanz, seine Reise mit PROTO nach Kolumbien, mindestens zwei Monate und musste dazu aber auch zweimal fliegen. Erst recht wenn man berücksichtigt, dass es sich um die Luftlinie handelt, erscheint dies für ein derart schwieriges Gelände wenig glaubhaft für einen Trupp von über 200 Personen.

Insgesamt wäre es sinnvoller gewesen, die Expedition über einen längeren Zeitraum zu strecken. Das hätte auch die Möglichkeit für mehr Zwischenfälle und Begegnungen geboten. Auch der spätere überraschende Fund des Flugzeugträgers wäre so besser vorbereitet gewesen. So wie es nun geschildert wurde, dauerte die Reise durch den kompletten Kontinent gerade mal 1254 Wörter. Ja, ich habe das nachzählen lassen, weil ich es kaum glauben konnte. Die Amazonasroute scheint wirklich sehr einfach und gefahrlos.

So bleibt dieser Teil der Handlung leider unglaubwürdig und wirkt eher konstruiert, um zügig zum nächsten Plot Point zu gelangen. Mehr Sorgfalt bei der Ausarbeitung dieser Expedition hätte dem Roman gut getan.

Dann sehe ich da noch eine andere Plot-Schwäche an dieser Stelle des Romans: Die Schilderung der Ankunft der Expedition beim Wrack der USS NIMITZ. Wurde im Epilog von Band 604 die Ankunft noch wie folgt geschildert:

Sie kamen aus dem Dschungel, nach einem schier endlosen Marsch, der ihnen das Letzte abverlangt hatte.

[…]

»Es ist also wahr«, sagte Dak’kar. »Sie existiert wirklich!«

Jenno konzentrierte sich wieder auf das Riesenschiff. Die USS Nimitz. Er hatte Bilder davon in den Büchern gesehen, die ihre Eltern nach dem EMP vor dreißig Jahren aus ihrem alten Bunker hatten retten können. Ein Flugzeugträger – eine der mächtigsten Waffen einer längst vergangenen Zeit und vollgestopft mit Elektronik. Dieses Schiff würde allerdings niemals wieder durch das Wasser eines Ozeans pflügen.

Legenden berichteten von diesem Schiff, doch die uralten Berichte von Entdeckern, die es irgendwo jenseits des Gebirges gesehen haben wollten, waren widersprüchlich. Bis heute hatte niemand die genaue Position der USS Nimitz gekannt. Wie sie wohl hierher gelangt war, mitten in den Dschungel, hunderte Kilometer von der Küste entfernt?

MX 604 „Als die Erde unterging“

Hier wurde uns also erzählt, dass mindestens Legenden über die USS NIMITZ im Dschungel von Peru bekannt waren und, dass man zumindest damit gerechnet hat, das Wrack hier vorzufinden, auch wenn man es in Macapá für eine Legende hielt. Im vorliegenden Roman jedoch scheinen die Expeditionsteilnehmer noch so gar nichts vom Wrack im Dschungel gewusst zu haben:

[…] dass sie etwas Unglaubliches entdeckt hätten, drückte er die Zweige zur Seite – und war sekundenlang davon überzeugt, sein letztes bisschen Verstand verloren zu haben.

Doch je länger das Bild bestand, sich nicht in eine Fata morgana oder einen Fiebertraum auflöste, desto eher glaubte er, dass sie hier tatsächlich inmitten des Dschungels auf einen wahrhaftigen Flugzeugträger gestoßen waren…

MX 617 „Fluch und Segen“
Das Wrack der USS NIMITZ im Dschungel von Peru
CC BY 4.0 OMXFC

Ich weiß, das wird wieder den wenigsten Lesern aufgefallen sein. Mir ist es aber aufgefallen. Mag sein, dass es daran liegt, dass ich vor ein paar Wochen einen Spekulatius-Artikel geschrieben hatte, der bei uns Fans nur auf wenig Interesse stieß, aber für den ich doch recht tief recherchiert hatte. Da hatte ich mich noch gewundert, dass die Expedition wohl vom Flugzeugträger im Dschungel wusste. Meine Spekulationen wurden also durch einen Plot-Fehler in die Irre geführt. Das mag ich ja so gar nicht.

„Fluch und Segen“ ist insgesamt aber ein kurzweiliger und spannender zweiter Teil mit einigen Schwächen.

Die Handlung ist abwechslungsreich und temporeich erzählt, auch wenn nicht alle Plot Points schlüssig erscheinen. Die Figuren sind interessant gezeichnet, besonders die ambivalente Hauptfigur Dak’kar. Kleinere Logiklücken schmälern den positiven Eindruck etwas.

Die Expedition in den Dschungel auf der Suche nach den Diamanten ist leider nicht glaubwürdig umgesetzt und wirkt konstruiert. Hier wären mehr Details und mehr Zeit für die beschwerliche Reise nötig gewesen.

Insgesamt ist „Fluch und Segen“ solide unterhaltende Science-Fiction. Fans des Genres und der Reihe werden ihre Freude haben, auch wenn der Roman keine neuen Maßstäbe setzt.

Ich vergebe für diesen Roman 4 von 5 Kometen im Maddraxikon.

Und jetzt noch ein paar Worte zur LKS in diesem Band. Normalerweise lasse ich die ja außen vor, ebenso wie das Cover, denn für mich steht eigentlich der Roman im Zentrum. Aber diese LKS hat mich doch sehr getroffen. Das hält Redakteur Mad Mike also von Soldaten? Ich war selbst etwas mehr als 16 Jahre Soldat und seitdem Reservist. Und im Zweifelsfall riskiere ich, wie auch meine Kameraden, meinen Hintern für pazifistische Lektoren und alle anderen, die in Frieden leben wollen. Dafür erwarte ich keine besondere Anerkennung oder einen besonderen Respekt. In Deutschland ist es ganz normal, dass Soldaten liebevoll ignoriert werden bis zur nächsten Hochwasserkatastrophe – damit kann ich leben. Aber ich bin schockiert darüber, dass Mike tatsächlich der Ansicht ist, dass wir Soldaten so sprechen wie in den von ihm lektorierten Romanen!

Ich kann nur vermuten, dass du den Militär-Jargon meinst, der bei der Dark Force gebräuchlich ist. Das sind nun mal Soldaten, die reden so. Würden sie sich gewählt ausdrücken, klänge das seltsam.

Redakteur Mad Mike auf der LKS von MX

Ja, es gibt einen Militärjargon, das kann niemand bestreiten und das ist wissenschaftlich sogar belegt.1 Aber das hat so absolut gar nichts mit der Sprache der Dark Force in den Romanen zu tun. Soldatensprache besteht aus Abkürzungen. Sie ist kurz, aber dennoch präzise. Gerne werden auch mal liebevolle Namen für die Ausrüstung der Soldaten verwendet. Fäkalsprache wie die Verwendung von Beleidigungen, Verbalinjurien und „Sau-Sprache“, wie in dem Leserbrief angesprochen, gehören in keinster Weise zum Soldatensprech. Es mag sein, dass einzelne Soldaten dazu neigen, aber auch nicht mehr als unter den Zivilsten. Eben so wie auch nicht alle Romanlektoren pedantisch fehlersuchende Korinthenkacker sind. Ich kann nur hoffen, dass ich Mikes Antwort falsch verstanden habe oder in der Druckerei oder beim Satz ein Smiley verloren gegangen ist. Solche pauschalisierten Bemerkungen sind unterste Schublade und gehören eher auf einem Stammtisch und nicht auf die LKS meiner Lieblingsserie. Nach dem ganzen „Die-Jugend-liest-nicht-mehr“-Mimimi vor einigen Bänden ist das für mich der Tiefpunkt der bisherigen Leserseiten. Schade.


  1. Meyer, G. (2009). Rhetorisch-stilistische Eigenschaften der Sprache des Militärs. In Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (S. 2274–2288). Walter de Gruyter. https://doi.org/10.1515/9783110213713.1.7.2274  ↩︎
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